Seite
3
bis
2001 als Assistenzarzt in einer Praxis beschäftigt. Er ist
verheiratet und zusammen mit seiner Ehefrau hat er zwei Kinder im
Alter von 4 und 1 Jahr. Die Ehefrau des Angeklagten Dr. B###### ist
nicht erwerbstätig. Sein aktuelles Einkommen beziffert der
Angeklagte Dr.B###### mit ca. 3.500,00 € monatlich. Bislang ist er
weder strafbar noch ordnungswidrig in Erscheinung getreten.
2.
Der
Angeklagte Prof. Dr. E### ist am ##.##.#### geboren. Er ist HNO-Arzt
und als Leiter der HNO-Klinik des ########### in Erfurt tätig. Vor dieser
Tätigkeit war er als Oberarzt in einer HNO-Klinik in #########
beschäftigt. Der Angeklagte Prof. Dr. E### ist verheiratet und
noch # Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Seine Ehefrau ist nicht
erwerbstätig. Angaben zu seinem Einkommen hat der Angeklagte
Prof. Dr. E### nicht gemacht. Im Wege der Schätzung war dies mit
monatlich ca. 7.500,00 € festzustellen. Auch der Angeklagte Prof.
Dr. E### ist bislang weder strafbar noch ordnungswidrig in
Erscheinung getreten.
II.
Seit
dem 01.03.1995 ist der Angeklagte Prof. Dr. E### Chefarzt der
HNO-Klinik des ###########. Er war dabei auch für den Einsatz
der ihm unterstellten Ärzte, u.a. 3 Oberärzte, 6
approbierte Ärzte und 3 Ärzte im Praktikum (AiP)
verantwortlich.
Seit
dem 01.10.1995 war der Angeklagte Dr. B#####' als AiP in der
HNO-Klinik tätig. Zuvor hatte er seine universitäre
Ausbildung abgeschlossen und ein viermonatiges Praktikum in der
HNO-Klinik der Friedrich-Schiller-Universität Jena absolviert.
Ab Juli 1996 wurde er in das Dienstsystem der HNO-Klinik in ######
übernommen, wobei er auch zu Nachtdiensten eingeteilt wurde.
Während der Nachtdienste war neben dem in der Klinik anwesenden
und tätigen Arzt ein in Rufbereitschaft stehender Oberarzt als
sog. Hintergrunddienst eingeteilt. Die Einteilung der Ärzte der
HNO-Klinik in die jeweiligen Dienste erfolgte durch die Oberärzte.
Dr. B###### war in dieses System übernommen worden, weil er
hierfür nach Ansicht von Prof. Dr. E### und den Oberärzten
der HNO-Klinik vom Ausbildungsstand her geeignet erschien. Es
entsprach der praktizierten Übung der in der HNO-Klinik tätigen
Ärzte, daß der jeweilige Oberarzt im Hintergrunddienst bei
stationären Aufnahmen von Patienten oder anderweitigen, größeren
Problemen den Hintergrunddienst informieren sollte. Eine dahingehende
schriftliche Dienstanweisung existierte jedoch nicht. Gegenüber
Dr. B###### wurde eine ausdrückliche mündliche Weisung,
bereits bei jeder stationären Aufnahme den Oberarzt im
Hintergrunddienst zu informieren, weder von Prof. Dr. E### noch von
anderen Ärzten ausdrücklich erklärt.
Am
19.09.1996 wurde die zu diesem Zeitpunkt 7 Jahre alte Cornelia
Bärwolff in der HNO-Klinik stationär zur operativen
Entfernung beider Rachenmandeln - Tonsillektomie - behandelt. Die
Operation am 20.09.1996 verlief komplikationslos und Cornelia
Bärwolff wurde am 26.09.1996 nach bis dahin regelge-
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rechtem
Behandlungs- und Heilungsverlauf und bei vollständig vorhandenen
Fibrinbelägen entlassen, ohne daß Anzeichen für eine
Blutungsquelle bestanden. In der Nacht des 26.09.1996 setzte bei
Cornelia eine Nachblutung im Bereich der Tonsillenbetten ein. Im
Badezimmer, in welches sich das Kind zusammen mit seiner Mutter - der
Nebenklägerin - begeben hatte, schoß hellrotes und auch
schaumartiges Blut schwallartig aus Nase und Mund des Kindes. Dabei
wurde auch ein etwa 2x3 bzw. 3 x 3 cm großes Blutkoagel aus dem
Mund des Kindes ausgeworfen. Das Waschbecken war blutverschmiert, die
ausgespiene Blutmenge betrug etwa 1/2 Liter. Die Nebenklägerin
telefonierte wegen dieses Blutungsereignisses mit der HNO-Klinik des
Klinikums in ###### und ihr wurde von der Dienst tuenden
HNO-Schwester V##### nach der Schilderung des Blutungsereignisses
aufgegeben, sich unverzüglich ins Klinikum zu begeben und
gegebenenfalls den Notarzt herbeizurufen. Auf den Anruf der
Nebenklägerin bei der Leitstelle des Rettungsdienstes in ######
erschien gegen 00:30 Uhr die im Bereitschaftsdienst tätige
Kinderärztin Dr. L#### im Haus der Familie Bärwolff. Im
Badezimmer sprach sie das am Waschbeckenrand sitzendene Kind an,
stellte fest, daß Cornelia nicht sprechen wollte - wohl weil
sie Schmerzen und eine weitere Blutung fürchtete -. Die
Kinderärztin Dr. L#### fühlte den Puls des Kindes. Dieser
war normal. Die Nebenklägerin zeigte der Kinderärztin das
ausgespienene Blutkoagel und Dr. L#### entschied, daß Cornelia
unverzüglich in die HNO-Klinik verbracht werden mußte. Um
keine weitere Blutung zu provozieren, unterließ sie es, den
Hals- und Rachenraum von Cornelia zu untersuchen. Weil sie das Kind
weiter ruhig halten wollte - dies erschien ihr im häuslichen
Millieu ohne weitere Notfallausrüstung das Vordringlichste -
legte Dr. L#### keinen venösen Zugang. Dies hätte nämlich
eine Verlagerung Cornelias in liegende Haltung erforderlich gemacht.
Aus gleichem Grund maß sie auch den Blutdruck nicht. Nach
Eintreffen des Krankenwagens wurde Cornelia in einen Rollstuhl
gesetzt und sodann mit dem Krankenwagen in die HNO-Klinik gebracht,
wo sie, ihre Mutter und Dr. L#### gegen 01:00 Uhr erschienen.
Dort
wurde von der anwesenden Krankenschwester die Chipkarte der
Krankenversicherung eingelesen. Dr. L#### verließ sodann die
Anwesenden und das Klinikum wieder, ohne Cornelia an den Dienst
tuenden Arzt Dr. B###### persönlich zu übergeben. Cornelia
wurde mit ihrer Mutter auf die Station Nr. 5 in der HNO-Klinik und
dort in das Behandlungszimmer gebracht.
Hier
erschien der Angeklagte Dr. B######, um Cornelia zu untersuchen. Er
war zuvor bereits gegen 00:00 Uhr von der Krankenschwester V###### -
nach dem Telefonat mit der Mutter - über die anstehende
Aufnahme informiert worden und hatte das Krankenblatt
eingesehen. Nach dem Eintreffen von Cornelia und ihrer Mutter
untersuchte Dr. B###### den Mund und Rachenraum des Kindes, wobei
Cornelia im Behandlungsstuhl saß. Die Mutter schilderte dabei
den äußeren Ablauf der Blutung im häuslichen Millieu,
gab an, daß Cornelia etwa 1/2 Liter Blut ausgespien habe und
zeigte Dr. B###### auch das Blutkoagel, wel-chens sie in einem Glas
mit in die Klinik gebracht hatte. Dr. B##### stellte bei der
Untersuchung fest, daß keine aktive Blutung bestand. Er
benutzte dabei u.a. mit Thrombocoll getränkte Wattetupfer.
Cornelia hatte zu diesem Zeitpunkt einen Puls von 124 bzw. 128 und
einen Blutdruck von 100/50. Diesen hatte die Krankenschwester
gemessen. Dr. B###### maß der Schilderung der Mutter zum Ablauf
der Blutung im häuslichen Millieu keine warnende Bedeutung bei,
ebensowenig dem mitgebrachten Blutkoagel. Cornelia
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5
war
mittlerweile geschwächt, blaß und ihre Füße
waren so abgekühlt, daß sie von ihrer Mutter mit den
Händen gewärmt wurden. In diesem Zustand befand sich
Cornelia - was Dr. B###### bei seinem seinerzeitigen Ausbildungs- und
Wissensstand auch hätte erkennen können und müssen -
im Präschock. Diesen Präschock erkannte Dr. B######
pflichtwidrig nicht, sondern ging ebenso pflichtwidrig davon aus, daß
die Blutung steht und daß keine weitere Blutung mehr eintreten
werde. Deshalb ließ er Cornelia ins Bett bringen und ordnete
an, Blutdruck und Puls zu messen. Auch eine Eiskrawatte sollte
angelegt werden. Für den nächsten Morgen ordnete er den
Abgleich der Blutwerte an. Die Kreislaufkontrolle um 01:15 Uhr ergab
einen Blutdruck von 100/50 bei einem Puls von 128, um 01:45 Uhr einen
Blutdruck von 100/50 und einen Puls von 124 sowie um 02:15 Uhr einen
Blutdruck von 100/50 bei einem Puls von 124. Die im Hintergrunddienst
eingeteilte Oberärztin Dr. H####### informierte Dr. B###### bei
der Aufnahme des Kindes nicht.
Während
Cornelia im Bett lag, war ihre Mutter anwesend. Hier erschien Dr.
B###### einmal bei Cornelia, um Blutdruck zu messen, unterließ
es hingegen weiterhin, Oberärztin Dr. H####### zu informieren.
Dr. B###### hätte bei Aufwendung der erforderlichen Sorgfalt
erkennen können und müssen, daß allein die stationäre
Aufnahme von Cornelia und das Anlegen einer Eiskrawatte in dieser
Situation keine sachgerechte und ausreichende Versorgung Cornelias
war. Obwohl er dies ebenfalls hätte erkennen können und
müssen, ging Dr. B###### zudem fehlerhaft davon aus, daß
keine Gefahr einerweiteren, unerwarteten Blutung bestand. Er
unterließ es dabei für eine jederzeit notwendig werdende
Operation zur Absuche und Revision der Wundbetten vorbereitend tätig
zu werden. Er unterließ es, einen peripheren venösen
Zugang zu legen, durch welchen im Falle es operativen Eingriffs ggf.
eine Volumenersatztherapie unverzüglich hätte eingeleitet
werden können. Er unterließ es auch, bereits zu diesem
Zeitpunkt die Blutwerte zum zumindest annähernden Abgleich des
bereits eingetretenen Blutverlust zu bestimmen und außerdem
Blutersatzstoffe bereitzustellen.
Gegen
02:35 Uhr kam es zu einem erneuten, massiven Blutungsereignis, bei
dem wiederum eine große Menge Blut schwallartig aus Cornelias
Mund und Nase herausschossen. Die Mutter rief die Krankenschwester
V##### herbei, beide brachten Cornelia in das Behandlungszimmer der
Station und Dr. B###### kam hinzu. Bereits im Behandlungszimmer
hatte die Krankenschwester begonnen, Blut und Erbrochenes aus
Cornelias Mund abzusaugen. Auch Dr. B###### übernahm dies zeitweise
und er telefonierte sodann nach dem diensthabenden Anästhesisten
Dr. S#####, welcher in den Operationssaal der Klinik kommen sollte.
Auf die Entscheidung von Dr. B##### hin, Cornelia in den
Operationssaal im 2. Stock der Klinik zu bringen, brachten die
Krankenschwester V####### und die Mutter Cornelia auf einer fahrbaren
Trage aus dem Behandlungszimmer hinaus zum Fahrstuhl und fuhren mit
diesem in den Operationssaal. Während dieses Transportes war es
nicht möglich, mit dem Absaugen des Mundraumes fortzufahren,
weil es im Behandlungszimmer der Station kein transportabeles
Absauggerät vorhanden war. Entsprechend verhielt es sich mit der
Möglichkeit, während des Transportes mit Sauerstoff zu
beatmen, weil auch ein solches Gerät auf der Station nicht
vorhanden war.
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Während
des Transportes, jedenfalls bei Ankunft im Operationssaal war
Cornelia bereits wegen der Menge des Blutverlustes bewußtlos
geworden.
Etwa
gleichzeitig erschienen Dr. B###### und Dr. S##### als Anästhesist
im Operationssaal. Der S##### erkannte den nun akuten Schock und
intubierte Cornelia sofort, was ihm auch gelang. Dabei saugte er den
Mundraum erneut ab. Um die notwendige Volumenersatztherapie - also
Infusion von Blutkonserven und anderer kreislaufstabilisierender
Flüssigkeiten - einzuleiten, versuchte Dr. S##### unmittelbar
nach der Intubation einen venösen Zugang zu legen. Wegen des
hohen Blutverlustes und des nun massiven Schockgeschehens waren die
Venen von Cornelia derart zusammengefallen, daß dies Dr. S#####
nicht gelang.
Spätestens
zu diesem Zeitpunkt - als Dr. S##### noch versuchte, den venösen
Zugang zu legen, trat bei Cornelia infolge der anhaltenden und
massiven Sauerstoff-Unterversorgung der Herzstillstand ein. Dr.
S##### ging deshalb zur Reanimation durch Herz-Druck-Massage über.
Hierbei erschien die von Dr. B###### telefonisch informierte
Anästesistin, die Oberärztin Dr. K########. Beide - Dr.
K######## und Dr. S##### - führten die Reanimation weiter, wobei
- ebenfalls nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen - Dr. K########
einen zentral-venösen Zugang in die Schlüsselbeinvene legen
konnte. Hierbei wurde -ohne daß dies Dr. K######## fehlerhaft
verursacht hat, ein sogenannter Pneumothorax gesetzt, also der
Lungenraum perphoriert und das Unterdruckverhältnis im
Lungenraum gestört, so daß die Atemtätigkeit der
Lunge durch eine entsprechende Drainage wieder hergestellt werden
mußte. Durch den zentral-venösen Zugang wurde die
Volumenersatztherapie mit etwa 5 Liter Blutersatz und
Elektrolytlösungen eingeleitet. Zudem wurde Adrenalin über
den Tubus und den zentral-venösen Zugang verabreicht. Der
Kreislauf von Cornelia stabilisierte sich infolge dessen. Dr.B######
informierte daraufhin gegen 03:00 Uhr die Oberärztin
Dr.H#######, welche gegen 03:10 Uhr im Operationssaalerschien und mit
der Revision der Wundbetten und der Blutungsstillung beginnen konnte.
Dr. H####### stellt bei ihrem Eingriff ein im Durchmesser etwa 2 mm
großes, spritzendes Gefäß fest und brachte diese
Blutungsquelle durch Umstechen zum Stillstand . Infolge des
schlechten Gerinnungswertes setzten danach weitere diffusen Blutungen
im Nasen- und Rachenraum ein, welche Dr. H####### u.a. mit
gerinnungshemmender Gase behandelte und ebenfalls - fachgerechter
Operationsmethode entsprechend - operativ behandelte, so daß
auch diese Blutungen schließlich sämtlich zum Stillstand
gebracht wurden.
Um
etwa 07:10 Uhr wurde Cornelia auf die Intensivstation verlegt.
Infolge des massiven Blutverlustes war der Organismus von Cornelia -
insbesondere Herz, Leber und Niere aber auch das Gehirn - durch die
ausgebliebene Sauerstoffversorgung derart massiv und irreversibel
geschädigt, daß schließlich am 02.10.1996 Cornelia
für Hirntod erklärt wurde und an diesem Tage verstarb.
Der
Tod Cornelias wäre mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit vermieden worden, wenn Dr. B##### bei Aufnahme von
Cornelia am 27.09.1996 um 01:00 Uhr Oberärztin Dr. H####### über
die Aufnahme informiert hätte. Die Oberärztin hätte
dabei zu einem Zeitpunkt, als der Kreislauf des Kindes noch
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beherrschbar
war, die Revision der Wundbetten einleiten können, die
Blutungsquelle stillen und den Eintritt weiterer Blutungen verhindern
können. Der Tod Cornelias wäre auch dadurch mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden, wenn Dr.
B##### sich - was ihm auch möglich gewesen wäre - die im
häuslichen Millieu eingetretene Blutung als arterielle Blutung
erkannt, sich auf ein zweites Blutungsereignis eingestellt und bis
zum Eintreffen der Oberärztin die erforderlichen Maßnahmen
für eine operative Revision der Wundbetten - nämlich
Verbringung von Cornelia in den Operationssaal anstatt auf die
Bettenstation, das Anlegen eines venösen Zugangs, Bereitstellen
von Blut- und Volumenersatzstoffen und der Abgleich der Blutwerte -
getroffen hätte. Diese Maßnahmen sind Teil allgemeiner-
nicht erst fachärztlicher- Notfallmedizin und hätten Dr.
B###### auch bekannt sein können und müssen. Durch diese
Maßnahmen hätte Cornelia spätestens bei Einsetzen der
zweiten Blutung sofort operativ behandelt werden können. Es wäre
nicht zu der massiven Blutung mit der Folge der dann tödlich
verlaufenen Sauerstoffmangelversorgung gekommen.
Der
Tod Cornelias wäre aber auch dadurch vermeidbar gewesen, wenn
Prof. Dr. E### entweder selbst oder durch seine Oberärzte bei
Übernahme von Dr. B###### in das Dienstsystem dafür Sorge
getragen hätte, daß dieser ausdrücklich angewiesen
worden wäre, bei jeder stationären Aufnahme sofort den
Oberarzt im Hintergrunddienst zu informieren. Prof. Dr. E### hätte
erkennen können und müssen, daß ein AiP - auch bei
Ausbildungsstand und - Dauer wie bei Dr. B###### - Gefahr läuft,
die trügerischen Anzeichen einer Tonsillektomienachblutung zu
verkennen und die dann notwendigen Maßnahmen nicht zu
ergreifen. III. Dieser Sachverhalt steht fest
aufgrund der Einlassungen beider Angeklagter - soweit diesen gefolgt
wurde -, den Aussagen der uneidlich vernommenen Zeugen Eunice
Bärwolff, Dr. L###, G##### V#####, Dr. S####, Dr. K#######, Dr.
H#####, J###### L### und Dr. S######## sowie auf den Ausführungen
der unbeeidet gebliebenen Sachverständigen Prof. Dr. G#######,
Prof. Dr. B#######, Prof. Dr. R########, Prof. Dr. B#######, Dr.
T####, Oberarzt Dr. A#######.
Der
B###### verteidigt sich im wesentlichen mit der Einlassung, er habe
bei der von ihm vorgefundenen, stehenden Blutung und dem sonstigen
Zustand Cornelias nicht mit dem Eintritt einer zweiten, derart
massiven Blutung rechnen müssen. Auch hätten keine
zwingenden und sicheren Anzeichen für einen Präschock bei
Aufnahme des Kindes um 01:00 Uhr bestanden. Er hat eingeräumt,
bis zum Zeitpunkt des 26.09.1996 von etwa 30 Tonsillektomien
allenfalls 2 - 5 Tonsillektomien eigenständig operiert zu haben
und bis zum damaligen Zeitpunkt keine Nachblutung nach Entlassung des
Patienten behandelt zu haben. Erfahrungen mit Nachblutungen habe er
zum damaligen Zeitpunkt allenfalls im Rahmen der Operationen, an
welchen er teilgenommen hat, gemacht.
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Schließlich
läßt er sich ein, eine Anweisung, bei jeder stationären
Aufnahme den Hintergrunddienst zu informieren, habe es bis zum
26./27.09.1996 nicht gegeben. Erst wenn der Präsenzdienst mit
einem Problem nicht mehr fertig geworden sei, sei der
Hintergrunddienst informiert worden.
Prof.
Dr. E### verteidigt sich im wesentlichen mit den Hinweis, Dr.B######
sei von den seinerzeit in der HNO-Klinik tätigen AiP fachlich am
weitesten vorangeschritten und habe seine Dienste bis zum 26.09.1996
ohne Beanstandungen verrichtet.
Oberarzt
Dr. A####### - als Pathologe der Gerichtsmedizin - hat ausgeführt,
daß der Tod Cornelias auf eine massive Sauerstoff -
Unterversorgung des Gehirnes, des Herzens und auch der Leber und der
Nieren zurückzuführen ist und daß durch diese massive
Unterversorgung diese Organe, insbesondere das Gehirn, irreversibel
geschädigt wurden. Todesursache ist nach den Ausführungen
von Oberarzt Dr. A####### eine zentrale Dysregualtion bei
Sauerstoffmangelschadens des Gehirns (hypoxischer Hirnschaden) nach
Entblutungsschock infolge der Nachblutung nach der Tonsillektomie.
Oberarzt
Dr. A##### hat außerdem nicht festgestellt, daß die
Tonsillektomie selbst fehlerhaft war oder bei den Gefäßen
im Operationsgebiet Aneurismen bestanden haben, die den hier
festgestellten Verlauf und die Todesursache in Frage stellten.
Den
äußeren Ablauf des festgestellten Sachverhaltes - was die
Geschehnisse in der Nacht vom 26.09.1996 zum 27.09.1996 betreffen -
haben weder Dr. B##### noch Prof.E### in Abrede gestellt. Die Zeugen
- soweit hierzu jeweils vernommen - haben diesen Ablauf ebenfalls
weitestgehend übereinstimmend so wie festgestellt geschildert.
Dabei haben Oberärztin Dr.K###### und Dr. S##### die Dauer und
die einzelnen Maßnahmen bei der Reanimation geschildert; Dr.
H####### wurde zu der von ihr vorgenommenen operativen Revision der
Wundbetten gehört. Sie hat dabei berichtet, daß sie als
Blutungsquelle das im Durchschnitt etwa 2mm große Gefäß
im Bereich der linken Mandel festgestellt und sodann umstochen hat.
Oberärztin Dr. H####### hat auch geschildert, wie sie die nach
diesem Umstechen aufgetretenen weiteren diffusen Blutungen zum Stehen
gebracht hat. Die Feststellungen zum ersten Blutungsereignis im
häuslichen Millieu beruhen auf der uneidlichen Aussage der
Zeugin Eunice Bärwolff. Zum Zustand Cornelias noch zu Hause und
zu der Übergabe des Kindes in der HNO-Klinik wurde Dr. L####
gehört. Die Zeugin V####### berichtete über die Aufnahme
des Kindes in der HNO-Station, wie Dr.B###### Cornelia untersuchte
und daß Cornelia danach auf die Bettenstation verbracht wurde.
Die Zeugin hat schließlich berichtet, daß sie Blutdruck
und Puls bei Cornelia gemessen hat. Schließlich schilderte die
Zeugin die Maßnahmen, welche nach Eintritt des zweiten
Blutdruckereignisses im Behandlungszimmer ergriffen wurden,
nämlich das Absaugen des Mundraumes durch sie selbst und
zeitweise durch Dr.B######
(
Anmerkung von uns, die Zeugin Eunice
Bärwolff hat aber ausgesagt; Dr.B. hat
nicht abgesaugt. Entgegen weiterer Zeugenaussagen hat
Cornelias Mutter während ihrer Anwesenheit
keine Behandlungsversuche von dem AiP B#######
feststellen können !!! )
und wie Cornelia sodann in den
Operationssaal im 2. Stock der Klinik gebracht wurde.
Die
Aussagen sämtlicher Zeugen war durchgängig glaubhaft. Die
Glaubwürdigkeit der Zeugen steht nicht in Zweifel.
Seite
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Auch
aufgrund der Einvernahme der Sachverständigen im Rahmen der
Beweisaufnahme gelangte das Gericht zur Überzeugung, daß
sich der Sachverhalt so wie festgestellt ereignet hat und sich beide
Angeklagten schuldhaft fehlerhaft verhalten haben.
Alle
Sachverständigen, nämlich Prof. Dr. G######, Prof.
Dr.B#######, Prof. Dr. R#######, Prof. Dr. B##### und Dr. T#####
haben im Ergebnis übereinstimmend, anschaulich und überzeugend
ausgeführt, daß und inwieweit Dr. B####### am 26/27.09.1996
fehlerhaft gehandelt hat. Dabei hat Prof. Dr. G######## ausgeführt,
daß es sich bei den beiden aufgetretenen Blutungen sehr
wahrscheinlich um arterielle Blutungen gehandelt hat, jedenfalls
sogenannte Schwallblutungen, die sofort durch eine operative Revision
der Wundbetten hätten behandelt werden müssen. Auch bei
venöser Blutungsquelle gelte nichts anderes. Prof. G####### hat
auch ausgeführt, daß die bei Cornelia aufgetretene Blutung
keineswegs unbeherrschbar gewesen sei. Schließlich sei es der
Oberärztin Dr.H####### gelungen, die Blutungsquelle zu finden,
durch Umstechen zum Stehen zu bringen und auch die weiteren Blutungen
dann zu stillen. So wie Cornelias Zustand bei Aufnahme in der
HNO-Klinik gewesen sei, hätten die von Dr.B##### - so wie
festgestellt - unterlassenen Maßnahmen ergriffen werden müssen,
um schnellstmöglich in Intubationsnarkose die Revision der
Wundbetten anzugehen. Nach den gutachterlichen Ausführungen von
Prof. Dr. G##### steht auch fest, daß die genaue Anamnese sowie
die Berücksichtigung des Risikos weiterer Nachblutung auch bei
einem AiP mit dem Kenntnis- und Ausbildungsstande von Dr. B###### am
26/27.09.1996 möglich und erforderlich gewesen ist und daß
auch Dr.B###### insbesondere das Risiko einer weiteren Schwallblutung
hätte erkennen können und müssen.
Prof.
Dr. B###### wurde als sachverständiger Anästhesist gehört.
Auch Prof. Dr. B##### hat bestätigt,-wobei er die
anästhesistischen Aspekte ausführlicher betonte - daß
die Vorgehensweise von Dr.B###### grob behandlungsfehlerhaft war. Das
Behandlungszimmer auf der Station Nr. 5 war aufgrund seiner insoweit
unzureichenden Ausstattung nicht geeignet, um im Falle einer weiteren
Nachblutung die dann erforderlichen Maßnahmen, nämlich die
Intubation und Narkose sowie die Revision der Wundbetten,
einzuleiten. Schließlich hat Prof. Dr. B##### auch anhand der
Angaben von Dr. K########## und Dr. S##### anschaulich ausgeführt,
wie massiv der Blutverlust von Cornelia bereits war, als mit ihrer
Reanimation und der Volumenersatztherapie begonnen wurde. Bei einem
Kind von etwa 7 Jahren beträgt die durchschnittliche, normale
Blutmenge etwa 2 1/2 bis 3 Liter; Blutersatz wurde Cornelia mit etwa
5 Litern zugeführt. Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen
von Prof. Dr. B###### nachvollziehbar, daß bereits auf der
Bettenstation die Blutung wieder - diskret - eingesetzt hat und daß
die plötzliche und massive Blutung um 2.35 Uhr Folge der
Ansammlung von großen Mengen Blutes im Magen war und bei diesem
Ausspeien spätestens der zunächst vorübergehende
Verschluß der Blutungsquelle entfernt wurde, so daß die
Blutung dann dauerhaft einsetzte. Prof. Dr. B###### hat schließlich
auch bestätigt, daß die Reanimation Cornelias sach- und
fachgerecht durchgeführt worden ist.
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In
Übereinstimmung mit den Sachverständigen Prof. Dr. G#####
und Prof. Dr. B##### haben auch die Sachverständigen Prof. Dr.
B#######, Prof. Dr. R####### und Dr. T##### ausgeführt. Prof. Dr.
R##### hat bestätigt, daß sich Cornelia bei Aufnahme in
der Station Nr. 5 bereits im erkennbaren Präschock befunden
hat, und daß die Therapie dieses Volumenmangelschocks zu spät
eingesetzt hat. Seinen Ausführungen zufolge hat Dr.B######
diesen Blutungsmangel „ vollkommen" verkannt. Der Puls von 124
oder 128, welcher bei Cornelia gemessen wurde, sei nicht Anzeichen
für einen normalen Puls, sondern vielmehr - insbesondere unter
Berücksichtigung der Blutungsmenge im häuslichen Millieu -
Schockanzeichen, weil nämlich bei Kindern ein Puls von
allenfalls 70 als normal anzusehen sei. Schließlich hat Prof.
Dr. R##### auch bestätigt, daß bereits bei Aufnahme von
Cornelia in der Klinik ein venöser Zugang hätte gelegt
werden müssen. Auch Prof. Dr. R##### hat bestätigt, daß
ein AiP Schocksymptome, so wie bei Cornelia eingetreten, kennen und
erkennen kann und muß. Hätte Dr. B###### den Präschock
erkannt, wäre der tödliche Ausgang nach Ansicht von Prof.
Dr. R###### vermieden worden. Zwar hat Prof. Dr. R##### an dieser
Stelle seiner Ausführungen von „hoher Wahrscheinlichkeit"
gesprochen. Jedoch werden hierdurch für das Gericht - zumal bei
Berücksichtigung der weiteren sachverständigen Ausführungen
in der Beweisaufnahme- keine vernünftigen Zweifel an der
Vermeidbarkeit des Todes von Cornelia begründet. Denn der
Sachverständige hat sich bei seinen Ausführungen erkennbar
und nachvollziehbar medizinisch wissenschaftlicher Terminologie
bedient und dabei „hohe Wahrscheinlichkeit" als höchst
mögliche Wahrscheinlichkeitsstufe bzgl. der Vermeidbarkeit
angenommen. Zu diesem Ergebnis sind auch Prof. Dr. B##### und Dr.
T#### bei ihren Ausführungen gekommen. Sie haben sich
weitestgehend den Ausführungen von Prof. Dr. G######, Prof. Dr.
B###### und Prof. Dr. R####### angeschlossen. Vernünftige Zweifel,
daß die Ausführung von Dr. B####### und Dr. T#### in der
Hauptverhandlung unzutreffend sein könnten, ergeben sich nicht.
Zwar haben beide in ihren schriftlichen Gutachten nicht von einer an
„Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit" der Vermeidbarkeit
gesprochen. Jedoch hat Prof. Dr. B###### dies plausibel und
überzeugend damit erklärt, daß es jedenfalls in
wissenschaftlichen Kategorien keine 100%ige Sicherheit gebe, wie er
auch aus eigener Berufserfahrung wisse. Allein vor diesem Hintergrund
sind die entsprechenden Formulierungen im seinerzeitigen
schriftlichen Gutachten zu verstehen. Dr. T#### war zu einem derartig
frühen Verfahrensstadium für eine Krankenkasse mit der
Begutachtung beauftragt, daß noch nicht diejenigen
sachverständigen Gutachten vorlagen, denen er dann in der
Hauptverhandlung selbst folgen konnte. Im Rahmen seiner Verehmung in
der Hauptverhandlung hat auch Dr. T#### sich den Ausführungen
der anderen Gutachter angeschlossen.
Auch
was das Verschulden von Prof. Dr. E### betrifft haben die
Sachverständigen Prof. Dr. G#######, Prof. Dr. B######, Prof. Dr.
B###### überzeugend ausgeführt, daß bei aller
Kritikwürdigkeit des Berufsbildes des Arztes „Arztes im
Praktikum" der Einsatz eines AiP im alleinigen Nachtdienst zwar
als solcher nicht von vornherein unvertretbar sei. Erforderlich seien
jedoch - wenn ein solcher Einsatz entschieden wird - eine eindeutige
und unmißverständliche Regelung, wie der AiP in bestimmten
Situationen zu handeln habe und wann der Oberarzt des
Hintergrunddienstes zu informieren sei. Zu vermeiden sei nämlich,
daß der AiP allein entscheiden müsse bzw. könne, in
welchen Fällen der Oberarzt als Facharzt tätig werden und
informiert werden müsse. Schließlich sei auch bei AiP mit
fachlich gutem Ausbildungsstand
Seite
11
und
Fähigkeiten stehts die Gefahr gegeben, daß infolge
Unkenntnis und Unerfahrenheit gefährliche Situationen verkannt
werden und der AiP sich unterschätzt.
Eine
derartige, von den Sachverständigen für notwendig erachtete
Anweisung hat es bis zum 26/27.09.1996 in der HNO-Klinik des #######
####### nicht gegeben. Zu dieser Überzeugung gelangte das
Gericht nach Durchführung der Beweisaufnahme, nämlich der
Vernahme der Zeugen Oberärztin Dr. H####### und Oberärztin
Dr. S#######. Keine der Oberärztinnen hat von einer
ausdrücklichen, gar schriftlichen Anweisung, nach der bei jeder
stationären Aufnahme der Oberarzt im Hintergrunddienst zu
informieren sei. Zwar mag dies, so wie Dr. H######und Dr. S######
berichteten - wohl gängige Praxis und auch die Erwartung seitens
der Oberärzte in der HNO-Klinik gewesen sein. Aber das Gericht
gelangte auch zu der zweifelsfreien Überzeugung, daß eine
solche Anweisung weder von Prof. Dr. E### noch etwa den Oberärzten
konkret und expliziet, zumal gegenüber Dr. B####### ausgesprochen
worden war. Die in der HNO-Klinik tätigen Ärzte und mit
ihnen Prof. Dr. E### setzten lediglich voraus und gingen hiervon aus,
daß die Informationspflicht „bekannt" und entsprechend
dieser Übung gehandhabt würde. Dabei haben sich weder Prof.
Dr. E### als Klinikleiter noch die Oberärzte vergewissert, daß
auch neu in die Klinik aufgenommen Ärzte, so wie Dr. B#######,
diese Regelung in ihrer Eindeutigkeit erkennen. Es lag vielmehr an
dem jeweiligen AiP selbst, etwa aus dem Inhalt von
Dienstbesprechungen von dieser Regelung zu erfahren.
IV.
1.
Der
Angeklagte Dr. B###### hat sich der fahrlässigen Tötung
durch Unterlassen nach §§ 222,13 Abs. 1 StGB strafbar
gemacht.
Er
hat den Tod von Cornelia Bärwolff verursacht, weil er es
unterlassen hat, die im Hintergrunddienst diensthabende Oberärztin
Dr. H####### über die Aufnahme von Cornelia in die HNO-Klinik zu
informieren und weil er bei der Aufnahme das Kind nicht unverzüglich
in den Operationssaal verbracht und keinen venösen Zugang gelegt
hat und so die operative Revision der Wundbetten vorzubereiten, bis
die Oberärztin in der Klinik erscheint. Diese bei der Aufnahme
des Kindes objektiv notwendige Handlungsweise war auch tatsächlich
möglich.. Indessen hat Dr. B###### Cornelia lediglich zur
Beobachtung ins Krankenbett der Station bringen lassen. Das
Unterlassen dieser Maßnahme war auch ursächlich für
den Todeseintritt von Cornelia. Hätte Dr. B###### die als
erforderlich festgestellten Maßnahmen ergriffen, wäre der
Tod von Cornelia mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
vermieden worden. Dies steht zur sicheren Überzeugung des
Gerichts fest, weil bereits bei Aufnahme von Cornelia - als ihr
Kreislauf noch beherrschbar war, sowohl von anästhetischer Seite
her - nämlich Dr. S##### und Dr. K######## - als auch von
HNO-ärztlicher Seite - nämlich Oberärztin Dr. H#######
- als diensthabende Ärzte erreichbar waren und die
Blutungsquelle in Intubationsnarkose finden und erfolgreich hätten
behandeln können.
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12
Eine
nicht zu berrschende Blutung lag indessen nicht vor. Gerade auf dem
pflichtwidrigen Unterlassen dieser aus medizinischer Sicht
erforderlichen und notwendigen Maßnahmen beruht der Tod
Cornelias. Schließlich hatte Dr.B###### als Arzt im
Bereitschaftsdienst auch dafür einzustehen, daß der Tod
Cornelias nicht eintritt, weil er die Behandlung von Cornelia
übernommen hat und sich hieraus seine Garantenstellung ergibt (§
13 Abs. 1 StGB). Dr. B###### handelte auch objektiv fahrlässig,
indem er das Risiko einer zweiten Blutung verkannte und lediglich
anordnete, Cornelia in ein Krankenbett der Station zu bringen
und Puls sowie Blutdruck zu kontrollieren. Wie aus den Ausführungen
der Sachverständigen folgt, war bereits aus
allgemeinmedizinischer Sicht der sich anbahnende Volumenmangelschock
bei Aufnahme von Cornelia ebenso erkennbar wie die Notwendigkeit
einer operativen Revision der Wundbetten absehbar war.
Dr.
B####### handelte auch subjektiv fahrlässig und deshalb
schuldhaft. Zwar war er zum Zeitpunkt des 26./27.09.1996 noch kein
voll approbierter Arzt, jedoch war zu diesem Zeitpunkt auch für
ihn als AiP das hohe Risiko, welches mit Nachblutungen nach
Tonsillektomie verbunden ist ebenso erkennbar wie die Anzeichen des
Präschocks bei Aufnahme des Kindes. Die Notwendigkeit der
operativen Revision der Wundbetten in Intubationsnarkose, was ihm bei
seinem seinerzeitigen Ausbildungs- und Wissensstand ebenfalls
zumindest erkennbar. Auch dies folgt aus den Ausführungen der
Sachverständigen.
2.
Prof.
Dr. E### hat sich der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen
gem. §§ 222,13 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
Ihm
ist Organisationsverschulden vorzuwerfen, weil er es unterlassen hat,
Dr.B###### bei Übernahme in das Dienstsystem ausdrücklich
anzuweisen oder zumindest ausdrücklich anweisen lassen, bei
jeder Neuaufnahme eines Patienten in die HNO-Klinik unverzüglich
den Oberarzt zu informieren. Eine solche Anweisung war Prof. Dr. E###
tatsächlich möglich und hätte mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit den Tod Cornelias verhindert, weil dann
Dr.B###### als AiP bei der Frage, welche Behandlungsmaßnahmen
nach Aufnahme Cornelias indiziert gewesen waren, gerade nicht auf
sich allein gestellt gewesen wäre.
Als
Leiter der HNO-Klinik hatte er auch durch entsprechende Organisation
der Klinik dafür einzustehen, daß der tatbestandsmäßige
Erfolg nicht eintritt. Prof. Dr. E### hätte bei Aufwendung der
erforderlichen und ihm auch notwendigen Sorgfalt erkennen können
und müssen, daß ohne ausdrückliche Anweisung, welche
Maßnahmen der Arzt im Praktikum bei Aufnahme einer
Tonsillektomienachblutung zu unternehmen hat und ohne die
ausdrückliche Anweisung, den Hintergrunddienst zu informieren,
der diensthabende AiP eine gefährliche Situation verkennt und
damit auch die Gefahr eines tödlichen Verlaufs einer
Nachblutungskomplikation heraufbeschworen werden kann.
Die
Gefährlichkeit der Nachblutungskomplikation ist Prof. Dr. E###
auch bekannt. Er durfte sich indessen nicht darauf verlassen, daß
Dr. B###### sachgerecht und situationsgerecht handelt, nur weil er
bis zum 26./27.09.1996 beanstandungsfrei Dienst getan hat. Denn im
Unterschied zu normalen Diensten, bei
Seite
13
und
Ausfertigung welchem ständig approbierte Ärzte zugegen sind
und eingreifen können, ist der Arzt im Praktikum während
des Nachtdienstes allein auf sich gestellt, die bedrohliche Situation
zu erkennen und bedrohungsgerecht zu handeln. Prof. Dr. E### durfte
nach der Überzeugung des Gerichts auch nicht davon ausgehen, daß
die Informationspflicht gegenüber dem Hintergrunddienst und die
Bedeutung dieser Informationsplicht bei Dr. B###### derart bekannt
und bewußt geworden ist, daß er dieser Pflicht Folge
leistet. Denn Dr.B###### wurde in diesem Sinne nie ausdrücklich
seitens Prof. Dr. E### oder der Oberärzte angewiesen.
V.
Nach
§ 222 StGB kann Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe
verhängt werden.
1.
Gegen
Dr. B###### war innerhalb dieses Strafrahmens Geldstrafe die tat- und
schuldangemessene Strafart. Er hat fahrlässig und nicht etwa
vorsätzlich gehandelt und seit der hier abgeurteilten Tat sind
auch keine Umstände bekannt geworden, die die Verhängung
von Freiheitsstrafe erforderlich gemacht hätten.
Innerhalb des Strafrahmens war gegen Dr. B###### die
tat- und schuldangemessene Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu
jeweils 80,00 EURO zu verhängen. Dabei hat das Gericht von der
Möglichkeit, die Strafe gem. § 13 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB
zu mildern, keinen Gebrauch gemacht. Zwar trägt die fakultative
Strafmilderungsmöglichkeit der Tatsache Rechnung, daß die
bei der Unterlassungstat aufgewandte Energie häufig weniger
wiegt als bei aktivem Tun. Dies trifft indessen insbesondere dann
nicht zu, wenn ein gebotenes Tun das Leben des untätig
bleibenden als Regelablauf bestimmt. Auch bei Fahrlässigkeitstaten
ist Unterlassen nicht weniger strafwürdig, als positives Tun
(vgl. Schröder-Streh- § 13 Rdziff. 64). Bei der
Strafzumessung hat das Gericht zugunsten des Angeklagten Dr. B######
berücksichtigt, daß er sich erstmals vor Gericht zu
verantworten hatte und daß seit der Tat keine weiteren
Fahrlässigkeiten mehr bekannt geworden sind. Es kann nicht etwa
angenommen werden, daß er aus der hier abgeurteilten Tat
keinerlei Lehren gezogen hat. Zugunsten des Angeklagten hat das
Gericht auch berücksichtigt, daß bereits der Vorwurf einer
fahrlässigen Tötung für den Angeklagten Dr. B######
als Arzt besonders schwer wiegt und auch standesrechtliches
Einschreiten nachteilige Auswirkungen haben kann. Darüber hinaus
wurde strafmildernd berücksichtigt, daß die Tat bereits
lange zurück liegt. Zugunsten des Angeklagten wirkte
schließlich, daß er den Nebenklägern in der
Hauptverhandlung sein Bedauern ausgedrückt hat und wie er sich
im Rahmen seines letzten Wortes doch sichtbar beeindruckt von dem
Ergebnis der Beweisaufnahme einsichtig zeigte und wie er - vor allem
in achtenswerter Weise der Nebenklägerin seine Bereitschaft
erklärte, ihr zu Gespräche bereit zu stehen, wenn dies
ihrer weiteren Verarbeitung des von ihr Erlebten helfen kann.
Seite
14
Zu
Lasten des Angeklagen Dr.####### war das Ausmaß seiner
Pflichtwidrigkeit zu berücksichtigen. Nach dem Eindruck aus der
Hauptverhandlung wiegt dies im besonderen Maße schwer. Er hat,
indem er lediglich anordnete, die Eiskrawatte anzulegen und Puls und
Blutdruck zu kontrollieren, eine der Situation völlig
unangemessene ja abwägige Behandlungsweise gewählt. Der
Sachverständige Dr. B##### hat dies in Anbetracht des Risikos
bei Nachblutungen anschaulich als allenfalls „homöopathische"
Maßnahme bezeichnet. Indessen hat der Angeklagte Dr. B######
sämtliche nicht zu übersehenden Warnsignale -etwa der hohe
Puls, die Schläfrigkeit des Kindes, vor allem die Schilderungen
der Mutter über Art und Ausmaß der ersten Blutung - in
jeglicher Hinsicht und ohne einen Anflug von selbstkritischer Haltung
einfach in den Wind geschlagen, obwohl er keine anderweitigen
Erkenntnisse zum Zustand des Kindes hatte. Auch wenn zu seinen
Gunsten berücksichtigt werden muß - was das Gericht bei
der Strafzumessung auch getan hat -,daß der Angeklagte
Dr.B###### noch keine längere berufliche Erfahrung auch im
alleinigen Nachtdienst hatte, so ist schlichtweg nicht
nachzuvollziehen und unverständlich, weshalb sich Dr.B###### in
Anbetracht allein der bei der Einweisung bedrohlichen Symptome bei
Cornelia nicht für den einfachsten und zugleich sichersten Weg
zur Beherrschung der Situation entschieden hat: nämlich die
Information der im Hintergrunddienst tätigen Oberärztin. Es
wäre dem Angeklagten ein leichtes gewesen, diesen Weg zu gehen
und den fatalen Ausgang der Nachblutung bei Cornelia zu vermeiden.
Bei der Bemessung der einzelnen Tagessätze hat das Gericht die
Angaben des Angeklagten zu seinen aktuellen Einkommensverhältnissen
zugrunde gelegt und seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber
seiner nicht erwerbstätigen Ehefrau und seinen Kindern
berücksichtigt.
2.
Gegen
Prof. Dr. E### war die tat- und schuldangemessene Strafart ebenfalls
Geldstrafe. Unter Berücksichtigung der für und gegen ihn
sprechenden Umstände hat das Gericht eine Geldstrafe von 60
Tagessätzen zu jeweils 150,00 EURO verhängt. Dabei wurde
von der Möglichkeit, die Strafe nach § 13 Abs. 2, 49 Abs. 1
StGB zu mildern, aus den oben ausgeführten Gründen
ebenfalls kein Gebrauch gemacht. Zugunsten Prof. Dr. E### hat das
Gericht berücksichtigt, daß er sich erstmals vor Gericht
zu verantworten hatte und daß ihm als Arzt allein der Umstand
seiner Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung bereits
besonders schwer trifft.
Zu
seinen Gunsten wurde auch berücksichtigt, daß das Ausmaß
seiner Pflichtwidrigkeit weniger schwer ausmißt, nämlich
vergleichbar mit schlichtem Übersehen oder etwa einem
Augenblicksversagen. Prof. Dr. E### ist zuzugestehen, daß die
Anweisung der AiP der HNO-Klinik nur eine von vielen Aufgaben eines
ärztlichen Leiters einer Klinik der Maximalversorgung darstellt.
Im übrigen hat er Dr. E###### nicht völlig unbesehen für
den Nachtdienst einteilen lassen. Er hat sich zusammen mit den
Oberärzten vergewissert, daß Dr. B###### von den
seinerzeitig 3 AiP der Klinik ausbildungsmäßig und
fachlich als der geeignetste erschien. Das diese Einschätzung in
Überstimmung mit den anderen Oberärzten getroffen wurde
zeigt auch, daß Prof. Dr. E### dem Rat und wohl auch fachlicher
Kritik anderer nicht von vornherein verschlossen ist. Zugunsten von
Prof. Dr. E### hat sich auch ausgewirkt, daß er zum Zeitpunkt
Seite
15
der
Tat auch erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit mit
der Leitung einer HNO-Klinik betraut war. Auch vor diesem Hintergrund
erscheint es gerechtfertigt, die unterlassene Anweisung als
schlichtes Übersehen einzustufen.
Allerdings
muß bei der Bewertung des Maßes seiner Pflichtwidrigkeit
berücksichtigt werden - was sich zu seinen Lasten auswirkte -
das er bei der Übernahme von Dr. B###### in das Dienstsystem
durchaus und ohne weites Anlaß hatte, gewarnt zu sein. Immerhin
stellt der Nachtdienst auch für einen fachlich gut
qualifizierten AiP insoweit andere Anforderungen, als der Tagdienst,
weil die Oberärzte, die sonst kontrollierend eingreifen und
beobachten können, im Nachtdienst nicht vor Ort sind. Dies zu
erkennen war ohne weiteres leicht möglich. Bei der Bewertung des
Maßes seiner Pflichtwidrigkeit fallt zu Lasten von Prof. Dr.
E### auch ins Gewicht, daß im HNO-K########## - weil es sich um
eine Klinik der Maximalversorgung handelt - mit der Aufnahme von
Patienten mit auch schwierigen und risikoträchtigen
Krankheitsbildern ohne weiteres und zu jeder Tages- und Nachtzeit
gerechnet werden mußte. Das dies von Prof. Dr. E### nicht
ausreichend bedacht wurde, war deshalb schwerend zu berücksichtigen.
Bei der Bemessung der einzelnen Tagessätze hat das Gericht das
monatliche Nettoeinkommen auf 7.500,00 € geschätzt und die
Unterhaltsverpflichtungen des Angeklagten Prof. Dr. E### gegenüber
seiner Ehefrau und seinen Kindern berücksichtigt.
VI.
Die
Angeklagten haben die Kosten des Verfahrens sowie ihre notwendigen
Auslagen gem. § 465 Abs. 1 S. 1 StPO zu tragen, weil sie
verurteilt worden sind.
Die
notwendigen Auslagen der Nebenkläger haben beide Angeklagten
gem. § 472 Abs. 1 StPO zu tragen.
Gez.
#######,#
Richter
am Amtsgericht“
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