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TLZ - Thüringen
12.11.2002
Ärztliche Fehler wirkten sich verheerend
aus | |
Erfurt. (dpa/tlz) Der Tod eines siebenjährigen Mädchens
nach einer Mandeloperation 1996 in Erfurt ist nach Ansicht von Gutachtern auf
fehlendes Wissen, Selbstüberschätzung und massive Fehler zurückzuführen. "Das
Unglück war, dass sich der Angeklagte selbst maßlos überschätzt hat", sagte der
Anästhesist Prof. Jürgen Brückner am Dienstag vor dem Amtsgericht Erfurt. Der
Arzt im Praktikum hätte die Bereitschaftsärztin informieren müssen. Der
Mediziner muss sich ebenso wie ein anderer Arzt wegen fahrlässiger Tötung
verantworten.
Das Kind war sechs Tage nach einer Operation mit
arteriellen Nachblutungen erneut in die Hals-Nasen-Ohren-Klinik in Erfurt
eingeliefert worden. Dort kam es zu einer zweiten Blutung mit Schockzustand,
Herzstillstand und Hirnschädigungen. Das Kind konnte zunächst nach Hinzurufen
von Oberärzten wiederbelebt und die Blutung gestillt werden. Am 2. Oktober 1996
wurde das Mädchen für hirntot erklärt.
Angeklagt wegen fahrlässiger Tötung sind der damalige
Arzt im Praktikum und der Chefarzt, der für die Diensteinteilung verantwortlich
war. Ein Arzt im Praktikum ist ein Mediziner, der nach absolviertem Studium zum
Erlangen der Approbation ein 18-monatiges Praktikum absolviert. Nach Ansicht der
Staatsanwaltschaft hätte der Tod mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
vermieden werden können, wenn die ärztliche Sorgfaltspflicht eingehalten worden
wäre. Die Eltern des Kindes treten als Nebenkläger auf.
Die Sachverständigen werfen dem heute 35-jährigen
HNO-Arzt vor, die Angaben der Mutter über die Höhe des Blutverlustes nicht
beachtet und den Zustand des Kindes nur ungenau untersucht zu haben. Es sei kein
venöser Zugang für Bluttransfusionen gelegt, keine Blutkonserven angefordert und
keine Operation vorbereitet worden - Fehler, die sich verheerend auswirken
sollten.
Ein katastrophaler Fehler sei auch die Unterbringung des
Kindes weit weg vom OP-Raum gewesen. Nach dem erneuten Blutschwall gab es
während des Transportes keine Möglichkeit, das Blut abzusaugen und Sauerstoff zu
geben. "Das Kind hatte die denkbar schlechtesten Überlebenschancen."
Der Angeklagte wies die Schuld am Tod des Kindes zurück
und diskutierte mit den Sachverständigen über Wenn und Aber. Er habe keine
Veranlassung gesehen, den Bereitschaftsarzt zu informieren und eine Operation zu
veranlassen. Richter Martin Schwarz sagte zu dem Angeklagten: "Die
Rosinentheorie läuft nicht." Die Sachverständigen kritisierten, dass ein Arzt im
Praktikum allein Nachtdienst in einer so großen Klinik mit 84 Betten machen
konnte. Die Risiken seien im Bereich Hals, Nasen, Ohren besonders groß. Der
Prozess wird am Montag fortgesetzt. 12.11.2002 mit
freundlicher Genehmigung der TLZ, http://www.tlz.de |
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Thüringer
Allgemeine vom
12.November 2002 Hintergrund
Schachteldenken Zwei
Ärzte wegen eines tödlichen Fehlers vor Gericht/Geschludert
haben aber viel mehr
Ärztepfusch.
Die tödliche Gefahr einer Blutung nach einer
Mandeloperation wurde vor sechs Jahren nicht
erkannt. Ein siebenjähriges Mädchen starb. Es
war über Stunden im Erfurter Klinikum auf einer
Hals-Nasen-Ohren-Station offenbar verblutet.
Der damalige Chefarzt und ein inzwischen in
Südthüringen niedergelassener Mediziner sitzen
seit gestern auf der Anklagebank. Der Vorwurf
lautet fahrlässige Tötung. Von Kai MUDRA "Das
war nicht mein Bereich, dort habe ich nichts
mehr zu sagen". So einfach machte es sich
gestern eine Ärztin vor Gericht, als sie im
Zeugenstand erklärte, warum sie das kranke Mädchen
in der Unglücksnacht nicht wie üblich dem Krankenhausarzt
persönlich übergeben hatte. Kein Einzelfall.
Denn auch die damals anwesende Stationsschwester
erklärte auf die Frage von Richter Martin Schwarz,
ob sie vielleicht Hinweise zur Behandlung gegeben
habe: "Das ist die Aufgabe des Arztes und
nicht meine." Die Frau hatte mehr als 30
Jahre Erfahrung mit einer Hals-Nasen-Ohrenstation
(HNO). Der beschuldigte Arzt im Praktikum lernte
knapp ein Jahr in dieser Klinik. Nicht dass
die Verhältnisse umgekehrt werden sollen, aber
ohne solches Schachteldenken könnte Cornelia
Bärwolff vielleicht noch leben. So versuchte
Oberstaatsanwältin Anett Schmitt gestern vergeblich
zu ergründen, welche konkreten Dienstanweisungen
von wem in der HNO-Klinik dem angeklagten Arzt
im Praktikum für den Nachtdienst gegeben wurden.
"War er verpflichtet, bei der Einlieferung
eines neuen Patienten den diensthabenden Arzt
zu Hause anzurufen?" der mitangeklagte
Chefarzt und die als Zeugen vernommenen Oberärztinnen
sagen Ja. Der Angeklagte erklärt dagegen "nur
bei kritischen Fällen" , und so habe er
damals den Zustand des Mädchens nicht eingeschätzt.Wer
genau diese Anweisung erteilte, blieb offen.
Vielmehr wurde auf die tägliche Dienstberatung
in der HNO-Klinik verwiesen, in denen auch derartige
Hinweise zur Sprache gekommen seien. Ein solcher
Anruf sei üblich und seit vielen Jahren selbstverständlich,
erklärte eine der Oberärztinnen. Die Ereignisse,
die vor sechs Jahren zun Tod des siebenjährigen
Mädchens führten, klingen noch immer ungeheuerlich. "In
einem gut organisierten Gesundheitswesen muss
man an so einer Krankheit nicht sterben"
, urteilte Professor Konrad Reinhart von der
medizinischen Fakultät der Jenaer Universität
als Gutachter. Dem Arzt im Praktikum warf er
Inkompetenz angesichts der Behandlungsmethode
vor.
Cornelia Bärwolff war nach der Schilderung
ihrer Mutter am 26.September 1996, sechs Tage
nach einer Mandeloperation, aus der Klinik entlassen
worden. Kurz vor Mitternacht soll eine starke
Blutung eingesetzt haben. Die Mutter informierte
die Schwester in der Klinik und das Kind sollte
sofort ins Krankenhaus zurück. Weil kein eigener
Pkw da war, wurde der Krankentransport bestellt.
Der diensthabende Notarzt war bei einem anderen
Patienten und so kam der ärztliche Hausbesuchsdienst
zu Frau Bärwolff.(Anmerkungen
von Eunice und Manfred Bärwolff - bitte Fenster
öffnen) Als die Kinderärztin eintraf,
blutete ihre Tochter nicht mehr, so dass nochmals
ein Krankenwagen, nicht aber der Notarzt bestellt
wurde. Eine Stunde nachdem die Mutter in
der Klinik wegen akuter Blutung angerufen hatte
, kam das Mädchen ins Krankenhaus. Der angeklagte
Arzt im Praktikum übernahm das Kind, informierte
aber nicht die zu Hause Dienst habende Ärztin.
Laut Anklage soll der Arzt bei seiner Behandlung
Anzeichen für einen Schockzustand des Kindes
und einen größeren Blutverlust übersehen haben.
Erst nach einer zweiten Blutung in dieser Nacht
wurde das Mädchen in den Operationssaal verlegt,
wo es zum Herzstillstand kam. erst nach 40 Minuten
konnten der Kreislauf wieder stabilisiert und
später auch die Blutungen im Hals gestoppt werden.
Vier Tage später starb das Mädchen
auf der Intensivstation. Insgesamt fünf Gutachter
müssen heute dem Gericht erläutern, welche Behandlungsfehler
gemacht wurden. Zu klären ist aber auch, wer
dafür die Verantwortung trägt. Der angeklagte
Arzt im Praktikum, der Klinikchef, aber wohl
auch ein Klinikregime von Abhängigkeiten und
Fehleinschätzungen, das fatale Folgen hatte.
Für den Prozess hat das Gericht in
der kommendnen Woche noch zwei Verhandlungstage
angesetzt. Dann wird auch das Urteil erwartet.
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Mit freundlicher Genehmigung der TA
Freies Wort
13.11.2002 Prozess um Tod
von kleiner Cornelia Gutachter: Viele Fehler unterliefen VON
ILSE HOLZ ERFURT – Im Ärzteprozess vor dem Erfurter
Amtsgericht stellte Richter Martin Schwarz gestern immer die gleiche
Frage an die Gutachter: Waren die Maßnahmen fachgerecht, hätte
das Sterben der kleinen Cornelia in jener Nacht vor sechs Jahren in
der Erfurter HNO-Klinik verhindert werden können? Das Gericht
muss sich ein Urteil darüber bilden, ob es einen
Kausalzusammenhang gibt zwischen dem ärztlichen Handeln und dem
Tod des Kindes.
Bis zum gestrigen
Nachmittag waren vier der fünf Gutachter zu hören, mit
vielen Details, der gemeinsame Nenner im wesentlichen: Das Kind
könnte noch leben. Es wurden große Fehler gemacht. Der
Laie als Zuhörer lernt: Eine Nachblutung ist eine
„hochgefährliche Komplikation“.
Vor allem der damals
handelnde – nach Gutachten nicht ausreichend handelnde – Arzt im
Praktikum Dr. B. wird damit schwer belastet. Dennoch ist von ihm kein
Zeichen von Einsicht in mögliches Fehlverhalten erkennbar.
Sowohl der Berliner HNO-Professor Dr. Gerhardt als auch der Jenaer
Narkosespezialist Prof. Dr. Jürgen Brückner fanden
deutliche Worte. Doch auch der Lehrstuhlinhaber HNO an der Jenaer
Universität, Prof. Eckhart Beleites, der auch Präsident der
Thüringer Landesärztekammer ist, formulierte eindeutig: Es
wurde nicht richtig gehandelt, der junge Arzt im Praktikum habe die
Situation falsch eingeschätzt, die Gefahr nicht gesehen.
Beleites hielt zwar dafür, dass „AiPler durchaus Nachtdienst
machen dürfen, sie müssen aber genügend selbstkritisch
sein, um sich an Verantwortliche zu wenden.“ Das tat B. nicht. Zur
Organisation des klinischen Ablaufs hielt er allerdings mit Kritik
zurück. Die anderen Gutachter äußerten Unverständnis
darüber, dass „in einer so großen Spezialklinik nachts
nur ein AiP eingesetzt wird, normal wäre Paralleldienst“, die
Personalausstattung hätte das ermöglicht.
Die wesentlichsten Fehler:
Der behandelnde AiP hatte zu wenig die Anamnese abgefragt, den hohen
Blutverlust nicht erkannt, den Schockzustand nicht ermessen, nicht
zumindest einen venösen Zugang gelegt, um Blutzufuhr zu
ermöglichen, nach der zweiten großen Blutung war das Kind
fast völlig ausgeblutet, es fehlte Sauerstoff zur Herz- und
Gehirnversorgung, die Venen waren „kaum noch da“, als die
Intensivbehandlung im OP endlich einsetzte, „der Tod war
vorprogrammiert“, formulierte Brückner.
Den Prozess, bei dem
nächste Woche das Urteil erwartet wird, verfolgen mehrere Hörer,
die ähnlich tragische Erfahrungen bei Angehörigen machen
mussten. Der in Oberhof lebende Elmar Kordes verlor im Jahr 2000
seine Frau. Zu dem Fall ist Anklage bereits erhoben, ein
Verhandlungstermin beim Amtsgericht Suhl steht noch aus. Kordes hat
ein „Privates Netzwerk Medizingeschädigter“ initiiert
(www.geoffrey-Mike.de).
mit freundlicher
Genehmigung von "Freies Wort" direkt
zum Archiv: http://www.freies-wort.de/ nachrichten/thueringen/resyart.phtm?id=366448
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Thüringer Allgemeine 13.11.2002
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Schwere Vorwürfe gegen Ärzte Im Prozess wegen fahrlässiger Tötung haben Gutachter
gestern am Erfurter Amtsgericht schwere Vorwürfe gegen einen Arzt im Praktikum
und den Klinikchef erhoben. Die Experten waren sich einig, dass das
siebenjährige Mädchen die akute Nachblutung sechs Tage nach einer
Mandeloperation hätte überleben können, wenn diese im Erfurter Klinikum richtig
behandelt worden wäre. Der Vorfall hatte sich bereits vor sechs Jahren ereignet.
Das Kind war vier Tage nach der erneuten Einlieferung auf der Intensivstation
gestorben.
Der damals zum Nachtdienst eingeteilte Angeklagte sei mit
der Situation überfordert gewesen. Trotzdem habe er nicht den
Bereitschaftsdienst, eine Oberärztin der Hals-Nasen-Ohren-Klinik, informiert,
lautete der Vorwurf. Die Gutachter attestierten dem Arzt, dass er den
Blutverlust und den beginnenden Schockzustand des Mädchens nicht erkannt habe
und so auch nicht die lebensnotwendigen Maßnahmen veranlasste.
Der Angeklagte, der inzwischen in Südthüringen als
niedergelassener HNO-Arzt tätig ist, zeigte sich während der Verhandlung wenig
einsichtig. Er konfrontierte die Gutachter teilweise mit konträren ärztlichen
Meinungen aus der wissenschaftlichen Literatur, um seine Position zu
untermauern, dass die Gefährlichkeit der Situation nicht erkennbar war.
Am Mittag lehnte der Richter einen Misstrauensantrag der
Nebenklage gegen den Präsidenten der Landesärztekammer, Eggert Beleites, ab, der
als Gutachter geladen war. Der Vorwurf lautete unter anderem, dass Beleites mit
dem angeklagten Chefarzt gemeinsam Seminare abgehalten hatte. Das Gericht wies
die Behauptung als unbegründet zurück. Zwei Gutachter kritisierten deutlich das
damalige Klinikmanagement, weil ein Arzt im Praktikum in einem besonders
sensiblen Bereich wie der HNO-Abteilung allein seinen Nachtdienste leistete.
Die Gefahr akuter Situationen sei in einer HNO-Abteilung
- noch dazu mit 84 Betten - deutlich höher als in anderen Krankenhausbereichen,
so die Gutachter. Zudem habe es der mit angeklagte Klinikchef versäumt, die
Anweisungen für den Dienst und Notfälle schriftlich zu erteilen.
Ein Urteil wird in der nächsten Woche erwartet.
Kai MUDRA 13.11.2002 mit
freundlicher Genehmigung der TA |
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Osterländer Volkszeitung 13.11.2002
(Webfassung)
Thüringen "Der Angeklagte hat sich
selbst maßlos überschätzt"
Erfurt. Der Tod eines
siebenjährigen Mädchens nach einer Mandeloperation 1996 in Erfurt ist nach
Ansicht von Gutachtern auf fehlendes Wissen, Selbstüberschätzung und massive
Fehler zurückzuführen. "Das Unglück war, dass sich der Angeklagte selbst maßlos
überschätzt hat", sagte der Anästhesist Prof. Jürgen Brückner gestern vor dem
Amtsgericht Erfurt. Der Arzt im Praktikum hätte die Bereitschaftsärztin
informieren müssen.Angeklagt wegen fahrlässiger Tötung sind der damalige Arzt im Praktikum und
der Chefarzt, der für die Diensteinteilung verantwortlich war. Nach Ansicht der
Staatsanwaltschaft hätte der Tod mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
vermieden werden können, wenn die ärztliche Sorgfaltspflicht eingehalten worden
wäre. Die Eltern des Kindes treten als Nebenkläger auf. Die Sachverständigen werfen dem heute 35-jährigen HNO-Arzt vor, die Angaben
der Mutter über die Höhe des Blutverlustes nicht beachtet und den Zustand des
Kindes nur ungenau untersucht zu haben. Es sei kein venöser Zugang für
Bluttransfusionen gelegt, keine Blutkonserven angefordert und keine Operation
vorbereitet worden - Fehler, die sich verheerend auswirken sollten. Ein
katastrophaler Fehler sei auch die Unterbringung des Kindes weit weg vom OP-Raum
gewesen. Nach dem erneuten Blutschwall gab es während des Transportes keine
Möglichkeit, das Blut abzusaugen und Sauerstoff zu geben. "Das Kind hatte die
denkbar schlechtesten Überlebenschancen." Der Angeklagte wies die Schuld am Tod des Kindes zurück und diskutierte mit
den Sachverständigen über Wenn und Aber. Richter Martin Schwarz sagte zu dem
Angeklagten: "Die Rosinentheorie läuft nicht." Die Sachverständigen kritisierten, dass ein Arzt im Praktikum allein
Nachtdienst in einer so großen Klinik mit 84 Betten machen konnte. Der Prozess
wird am kommenden Montag fortgesetzt. "
mit freundlicher Genehmigung
der Osterländer Volkszeitung
Thüringer Landeszeitung
vom 19.11.2002 auf der Seite
"Thüringen"
"Versagen auf zwei
Ebenen"
Ärzteprozes: Ankläger will
Geldstrafen
Erfurt. (dpa/tlz) Im
Prozess um den Tod einer Siebenjährigen nach einer Mandeloperation
hat
die Staatsanwaltschaft Geldstrafen von 7200 und 8000 Euro für
die angeklagten Ärzte gefordert. Die Verteidiger plädierten
vor dem Erfurter Amtsgericht auf Freispruch. Es gebe Zweifel
an der Verantwortlichkeit eines angeklagten ehemaligen Arztes
im Praktikum (AiP), sagte der Verteidiger. Der Anwalt der Eltern
als Nebenklagevertreter forderte eine Bewährungsstrafe für den
jungen Arzt, zumindest aber eine höhere Geldstrafe. Bei dem
Mädchen waren 1996 nach einer Mandeloperation Nachblutungen
aufgetreten. Einige Zeit nach der Untersuchung zu Hause kam
das Kind in die Hals-Nasen-Ohren-Klinik. Dort starb es nach
einer zweiten Blutung an Hirntod.
Die Staatsanwältin warf in
ihrem 40- minütigen Plädoyer dem ehemaligen AIP "Versagen
auf zwei Schienen" vor. Er habe es versäumt, eine Oberärztin
über die Einweisung der Siebenjährigen zu informieren. Aüßerdem
habe er ihren Zustand falsch beurteilt, die Informationen der
Mutter über den Blutverlust ignoriert und zudem keine Operation
vorbereitet."
Durch die Hintertür unerkannt
zum Gerichtssaal, zeigte auch das ZDF
Thüringer Allgemeine - Deutschland Seite
2 / 19.November 2002
Durch
die Hintertür
Tod einer kleinen Patientin: Staatsanwaltschaft
will Geldstrafe für fahrlässige Tötung Fototermin
im Amtsgericht. Seit Beginn des Verfahrens gegen zwei Ärzte
wegen fahrlässiger Tötung war das Fotografieren und Filmen im
Gerichtssaal untersagt. Gestern nun machte der Richter eine
Ausnahme. Zuvor erhielten beide Angeklagten die Möglichkeit,
den Verhandlungssaal durch eine Hintertür zu verlassen. Es war
die gleiche Tür, die durch welche einer der Ärzte bereits seit
Prozessbeginn unerkannt erscheinen und wieder verschwinden konnte. Dass
beide Mediziner schuldig sind, davon ist die Staatsanwaltschaft
überzeugt. Oberstaatsanwältin Anette Schmitt forderte gestern
in ihrem Plädoyer Geldstrafen. Aus ihrer Sicht sind beide mit
verantwortlich für den Tod eines damals siebenjährigen Mädchens,
das vor sechs Jahren ins Erfurter Klinikum mit einer Blutung
nach einer Mandeloperation eingeliefert wurde. Der eine Angeklagte
habe als Arzt im Praktikum (AiP) die Gefährlichkeit der Situation
nicht erkannt, so dass das Kind an den Folgen einer weiteren
Nachblutung im Krankenhaus starb, da dringend erforderliche
Maßnahmen nicht eingeleitet und die diensthabende Oberärztin
nicht informiert wurde. Dem Chefarzt wirft die Staatsanwaltschaft
vor, den jungen Arzt nicht ausreichend auf den Nachtdienst vorbereitet
und mit den möglichen Risiken vertraut gemacht zu haben. Für
den jungen Arzt, der seit Oktober in Südthüringen als niedergelassener
Arzt tätig ist, wurden 90 Tagessätze zu je 80 Euro wegen fahrlässiger
Tötung gefordert. Sein ehemaliger Vorgesetzter soll 60 Tagessätze
zu je 140 Euro zahlen. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft als
Klinikchef ein Organisationsverschulden vor, das mit zum Tod
des Kindes beigetragen habe. Der Vertreter der Nebenklage forderte
Haftstrafen für die Angeklagten. Sollte das Gericht Geldstrafen
verhängen, kämen die Ärzte um einen Eintrag im Führungszeugnis
herum, weil dafür die Urteile zu niedrig wären. Konsequenzen
seitens der Landesärztekammer müssen sie nach sechs Jahren nicht
mehr fürchten. Beide Verteidiger forderten gestern Freisprüche.
Zum einen, weil die Gutachter vor Gericht den Fall härter als
in den eingereichten Stellungnahmen beurteilten. Zum anderen,
weil der Einsatz eines Arztes im Praktikum nur ungenau geregelt
ist.Kai MUDRA
mit freundlicher Genehmigung
der TA
TLZ - Zeitung für Erfurt
20.November 2002 - Seite
1
Fahrlässige
Tötung steht fest
Ein
Anruf hätte das Leben der kleinen Cornelia gerettet - zwei Ärzte
zu Geldstrafen verurteilt
Von
Steffen Grün Erfurt.(tlz) Betroffene Gesichter bei den Verurteilten:
12 000 Euro Geldbuse für den ehemaligen Arzt im Praktikum Dr.
Thomas B. und 9000 Euro für den Chefarzt des HNO-Klinikums Prof.Dr.
Dirk E. Im Prozess um den Tod der siebenjährigen Cornelia Bärwolff
fiel gestern das Urteil. Damit liegt der Richter über der Forderung
der Staatsanwaltschaft. Der "fahrlässigen Tötung"
haben sich die beiden Verurteilten schuldig gemacht.
Seit nunmehr sechs Jahren
klagen die beiden Eltern gegen die Ärzte und zeigen sich in
ihrem Bemühen durch das Urteil bestätigt:"Wir wollten mit
diesem Prozess verhindern, dass Kindern in einer vergleichbaren
Situation nicht wieder so etwas geschieht", erklärte Manfred
Bärwolff nach der Urteilsverkündung. Mit standesrechtlichen
Konsequenzen oder gar einem Berufsgericht hätten die beiden
Ärzte seiner Meinung nach nicht zu rechnen, da nach 5 Jahren
die Verjährung eintritt. Er erwartet nun von den Ärzten
keine Berufung - als Zeichen der wirklichen Reue für ihre Tat.
Nach einer reibungslos verlaufenen Mandel-OP war damals die
kleine Cornelia mit starken Blutungen in der Nacht zum 3.Oktober
(Anmerkung von M.Bärwolff - es war die Nacht vom 26.
zum 27.09.1996 ) in das Erfurter Klinikum eingewiesen
worden. Der diensthabende Arzt im Praktikum verkannte jedoch
die Lage und ließ die unter Schock Stehende nicht sofort in
den OP verlegen, sondern auf Station. Auch Informierte er die
Oberärztin nicht telefonisch darüber. Es kam zur zweiten großen
Blutung und massiven Blutverlusten. Infolge der Sauerstoffunterbrechung
in Herz, Leber, Nieren und Gehirn konnte später nur noch der
Hirntod festgestellt werden.
mit freundlicher Genehmigung
der TLZ
Freies Wort
18.11.2002 aus
der Webfassung |
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Prozess um Mandeloperation: Pathologe verteidigt
angeklagten Arzt
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Erfurt (dpa/th) - Im Prozess um den
Tod einer Siebenjährigen nach einer Mandeloperation hat ein Gerichtsmediziner
die Erstversorgung außerhalb des Krankenhauses kritisiert. Im Gegensatz zu den
Gutachtern sehe er keinen Fehler des angeklagten Arztes, sagte er am Montag vor
dem Erfurter Amtsgericht. Die Überlebenschancen des Mädchens wären durch eine
bessere Diagnose bei der Untersuchung zu Hause gestiegen. Der Staatsanwalt sagte
daraufhin, dass der Pathologe sich zu solchen Maßnahmen fachlich nicht äußern
könne.
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18.11.2002 aus
der Webfassung |
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Prozess um Mandeloperation: Ankläger fordern
Geldstrafe |
Erfurt (dpa/th) - Im Prozess um den
Tod einer Siebenjährigen nach einer Mandeloperation hat die Anklage Geldstrafen
für zwei Ärzte gefordert. Für einen ehemaligen Arzt im Praktikum verlangte die
Staatsanwältin am Montag 7200 Euro, für seinen Vorgesetzten 8400 Euro Strafe.
Der Anwalt der Eltern als Nebenklagevertreter forderte eine Bewährungsstrafe für
den jungen Arzt, zumindest aber eine höhere Geldstrafe. Am Nachmittag wollen die
Verteidiger plädieren, mit dem Urteil wird am Dienstag gerechnet.
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19.11.2002 aus
der Webfassung |
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Urteil im Prozess um Tod nach Mandeloperation
erwartet |
Erfurt (dpa/th) - Sechs Jahre nach
dem Tod eines siebenjährigen Mädchens nach einer Mandeloperation sollen am
heutigen Dienstag in Erfurt die Urteile gesprochen werden. Angeklagt sind ein
ehemaliger Arzt im Praktikum und der damalige Chefarzt, der für die Einteilung
der Dienste zuständig war. Die Staatsanwaltschaft hat für sie Geldstrafen von
7200 und 8400 Euro gefordert. Die Verteidiger plädierten vor dem Amtsgericht auf
Freispruch für beide.
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Anmerkung von M.Bärwolff, der "damalige Chefarzt" ist heute
selbstverständlich auch noch der Chef |
20.11.2002 |
Aus dem Gerichtssaal |
Ärzte müssen Geldstrafen für fahrlässige Tötung
zahlen |
VON ILSE
HOLZ ERFURT – „Unsere Tochter wird nicht wieder lebendig. Aber durch
dieses sehr sachlich geführte Verfahren ist wohl deutlich geworden, wie
lebensgefährlich eine Nachblutung sein kann. Das wird hoffentlich künftig Leben
retten, und das war unser Ziel. Wir wollen jetzt einen Schlussstrich ziehen.“
Mit diesen Worten kommentierte der Vater der vor sechs Jahren an einer
Blutung nach einer Mandeloperation gestorbenen siebenjährigen Cornelia, Manfred
Bärwolf, das gestern am Amtsgericht Erfurt gefällte Urteil gegen zwei Ärzte.
Wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen wurde der in Südthüringen
praktizierende HNO-Arzt Dr. B, damals Arzt im Praktikum, zu einer Geldstrafe in
Höhe von 12.000 Euro verurteilt, der Chefarzt Prof. Dr. E. zu 9000 Euro. Damit
ging Einzelrichter Martin Schwarz über den Strafantrag der Staatsanwaltschaft
hinaus.
In seiner über einstündigen Urteilsbegründung erläuterte der Richter seine
Erkenntnis aus der Hauptverhandlung, vor allem dem Urteil von fünf
Sachverständigen, dass „der Tod des Kindes mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit hätte verhindert werden können“. Er schilderte den eindeutig
erwiesenen Hergang des Geschehens in der Nacht vom 26. zum 27. September 1996 in
einer großen Erfurter HNO-Klinik.
Dem damaligen allein Nachtdienst tuenden Arzt im Praktikum wirft das Urteil
vor, „in äußerstem Maße grob fahrlässig“ gehandelt zu haben. So hätte er nach
dem Stand seiner Ausbildung den Präschock erkennen müssen, mit dem das Kind nach
erheblichem Blutverlust in die Klinik eingewiesen worden war. Er hätte einen
venösen Zugang legen und Blutkonserven bereitstellen müssen, anstatt Cornelia
lediglich in ein Bett auf der Kinderstation legen zu lassen. Außerdem hätte er
umgehend einen Oberarzt im so genannten Hintergrunddienst, also in
Rufbereitschaft, informieren müssen. B. hatte erst am Ende des Prozesses, „dann
aber nachdrücklich“, so der Richter, im letzten Wort „eingesehen, was er falsch
gemacht hat“.
Die Schuld des Chefarztes, der der Verhandlung sichtlich niedergeschlagen
folgte, sieht das Gericht in Organisationsfehlern. Prof. E. hätte den AiP nicht
allein im Nachtdienst einsetzen dürfen, zumal es weder schriftlich noch mündlich
klare Anweisungen gab, wie in welchem Fall zu verfahren sei. Erst nach dem
tragischen Ereignis wurde das geändert.
Für Ärzte wiege der Vorwurf der fahrlässigen Tötung besonders schwer, so der
Richter, „sie werden öffentlich und von der standesrechtlichen Seite her wohl
weitere Einschnitte erfahren müssen“. An das Ehepaar Bärwolf wandte er sich mit
dem Wunsch, „dass Sie irgendwann die schönen Stunden mit Cornelia mehr erinnern
als die tragischen, um die es hier ging.“ Das Urteil ist noch nicht
rechtskräftig. |
28.11.2002 aus der Webfassung |
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Arzt geht gegen Urteil wegen Tod nach Mandeloperation in
Berufung |
Erfurt (dpa/th) - Der ehemalige
Arzt im Praktikum, der vom Erfurter Amtsgericht nach dem Tod eines Mädchens zu
einer Geldstrafe von 12 000 Euro verurteilt worden war, hat Berufung eingelegt.
Das bestätigte Amtsgerichtspräsident Rudolf Lass am Donnerstag. Der Chefarzt der
Hals-Nasen-Ohren-Klinik habe hingegen seine zuvor eingereichte Berufung wieder
zurückgezogen, teilte das Klinikum mit. Der Chefarzt habe die Berufung «nur
vorsorglich zur Fristwahrung eingelegt» gehabt.
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mit freundlicher Genehmigung
von "Freies Wort" http://www.freies-wort.de/ nachrichten/regional/resyart.phtm?id=370017
Thüringer
Allgemeine - Hintergrund vom
20.November 2002
Bildunterschrift:
TRAURIGE GEWISSHEIT: Die
kleine Cornelia könnte noch leben, wenn die zuständigen Ärzte vor Jahren
verantwortungsvoll gehandelt hätten. Fotos: TA/privat
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Ärzte handelten fahrlässig | |
Nach vier Verhandlungstagen das Urteil: schuldig. Das
Amtsgericht Erfurt wirft zwei Ärzten vor, für den Tod eines siebenjährigen
Mädchens mit verantwortlich zu sein. Der eine, weil er nicht so handelte, wie es
der kritische Zustand des Kindes erfordert hätte. Der andere, weil er das Risiko
beim Einsatz eines auszubildenden Arztes unterschätzt hatte.
"Wir hoffen, dass mit dem Urteil ein Schlussstrich
gezogen wurde und die Ärzte nicht in Berufung gehen." Die Eltern des gestorbenen
Mädchens hatten sechs Jahre gekämpft, damit ein Gericht erklärt, dass Fehler der
Ärzte zum Tod ihres Kindes geführt hatten. Gestern stimmte das Amtsgericht
Erfurt dieser Ansicht zu. Dabei blieb Martin Schwarz bei einem der beiden
Richtersprüche deutlich über der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die wegen
fahrlässiger Tötung aus Unterlassung verurteilten Ärzte sollen Geldstrafen in
Höhe von 12 000 beziehungsweise 9000 Euro zahlen. Gegen das Urteil können sie
binnen Wochenfrist Berufung einlegen. Der Richter sah es als erwiesen an, dass
die damals siebenjährige Cornelia Bärwolff bei fachgerechter medizinischer
Behandlung im Klinikum Erfurt die Blutung nach ihrer Mandeloperation überlebt
hätte.
Dem damaligen Arzt im Praktikum, der das Kind auf der
HNO-Station übernommen hatte, warf das Gericht grob fahrlässiges Handeln vor. Er
habe den kritischen Zustand des Mädchens nicht erkannt und deshalb keine
Vorsorge für eine Operation getroffen, um das Kind zumindest bei Komplikationen
effektiv behandeln zu können. Zudem habe es der Arzt versäumt, die Oberärztin im
Bereitschaftsdienst von der Einlieferung der Patientin zu informieren. Nach
Ansicht der Gutachter, so das Gericht, hätte der Mediziner auch als Arzt im
Praktikum den beginnenden Schock des Mädchens und den bereits erlittenen
Blutverlust erkennen und danach handeln müssen. Der heute in Südthüringen
niedergelassene HNO-Arzt muss als Geldstrafe 150 Tagessätze zu je 80 Euro
bezahlen. Wenn er keine Berufung einlegt, gilt er mit diesem Urteil als
vorbestraft wegen fahrlässiger Tötung, da die Strafe höher als 90 Tagessätze
ist.
Dem Chef der HNO-Klinik wurden keine Behandlungsfehler
vorgeworfen. Das Urteil gegen ihn lautet 60 Tagessätze zu je 150 Euro. Ihm legt
das Gericht ein so genanntes Organisationsverschulden zur Last, da er den
alleinigen Einsatz des Arztes im Praktikum als Nachtdienst in der HNO-Klinik zu
verantworten hat. Dabei wurde vor allem unterlassen, dem jungen Arzt deutlich
auf mögliche medizinische Risiken und zwingende Anrufe bei den dienstha-benden
Oberärztinnen, etwa bei neuen Patienten, hinzuweisen. Nach Ansicht der Gutachter
habe jeder, Patient der in ein Klinikum kommt, Anspruch auf eine
Facharztbehandlung, noch dazu wenn es wie in Erfurt ein Krankenhaus der
Maximalversorgung ist.
Das Erfurter Helios-Klinikum, an dem einer der
Verurteilten als Chefarzt tätig ist, sah gestern keinen Grund für einen
Vertrauensverlust. Das Urteil berühre nicht die "fachliche und persönliche
Qualifikation" des Arztes. Warum sich die Klinikleitung bis heute nicht bei den
Eltern des Kindes für dessen Tod entschuldigt hat, dazu gab es keine Erklärung.
Nach dem Vorfall sei jedoch angewiesen worden, dass Ärzte im Praktikum nicht
mehr allein Dienste führen dürfen, hieß es.
Über die weitere ärztliche Zulassung muss nach dem Urteil
das Landesverwaltungsamt in Weimar entscheiden. Grundlage ist die
Bundesärzteordnung, nach der ein Widerrufen möglich wäre, wenn sich der Arzt
"eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder
Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt". Ein Beraten
darüber ist aber frühestens möglich, wenn das Urteil rechtskräftig ist, sagte
eine Sprecherin. Ähnlich auch die Situation der Landesärztekammer. Allerdings
prüft diese noch zusätzlich, ob der Fall nach sechs Jahren bereits verjährt
ist.
Die Eltern des gestorbenen Mädchens hoffen auf einen
Schlussstrich. Richter Schwarz wünschte ihnen dazu, das künftig die schönen
Erinnerungen an ihre Tochter die tragischen Ereignisse überblenden
werden. 20.11.2002 Von Kai
MUDRA |
Thueringer-allgemeine.de
Thüringer
Allgemeine vom
22.November 2002 - Seite 3 Thüringen LESER-MEINUNG
Strafe als zu gering empfunden
Ist
die Justiz im Falle von Cornelia Bärwolff
dem Grundwert von der unantastbaren Würde gerecht
geworden, als sie urteilte (TA
vom20.November)? Ist nach sechs Jahren (
die Zeitspanne dürfte schon ein Skandal sein ) der
Würde des Menschen zum Siege verholfen worden?
Das Leben des kleinen Mädchens wurde mit 21
000 Euro aufgewogen. Sicher gibt es Fälle, die
ähnlich gelagert sind. Ich war auch erstaunt,
dass die "fachliche und persönliche Qualifikation" der
verantwortlichen Ärzte nicht beeinträchtigt
sein soll. Silvia Müller-Nawrodt, Bad Frankenhausen" |
TLZ vom 23.11.2002
Thüringen angeklickt: 102.Aufklärung über tödliche
Risiken
Eine umfangreiche
Materialsammlung steht unter www.cornelia-b.de Ärzten und Patienten zur
Verfügung. Die Site klärt über Risiken bei der operativen Mandelentfernung
auf. | |
Sechs Jahre sind vergangen, erst jetzt kam es zur
Hauptverhandlung im Fall "Cornelia Bärwolff". Im September 1996 verstarb das
damals 7-jährige Mädchen in Folge einer Mandeloperation. Die trauernden Eltern
kämpfen nicht nur für Gerechtigkeit. Mit ihrer Website http://www.cornelia-b.de/
wollen sie helfen, dass nie wieder Patienten lebensrettende Maßnahmen
vorenthalten werden.
Der Internetauftritt gibt einen chronologischen Abriss
der tragischen Ereignisse, damit er nicht in Vergessenheit gerät. In einer
vermeintlichen Routine-OP wurden Cornelia im Erfurter Klinikum 1996 die Mandeln
entfernt. Nach der Entlassung stellten sich bei dem Kind starke Blutungen ein.
Zwar wurde das Mädchen erneut ins Krankenhaus eingeliefert, eine umfassende
Behandlung wurde jedoch für unnötig gehalten. Ein tragischer Fehler: Cornelia
verstarb.
Die Site ist eine detailreiche Materialsammlung geworden.
Die Eltern berichten aktuell, welche Erfahrungen sie mit Ärzten und Behörden bis
heute machen. Sie veröffentlichen Dokumente und offene Briefe, um anderen Mut zu
machen. Und auch der juristische Weg und die rechtlichen Grundlagen werden
geschildert. Darüber hinaus haben sie Medienberichte zu ihrem und zu ähnlichen
Fällen aus deutschen Krankenhäusern zusammengetragen. Außerdem finden sich
medizinische Fachberichte zu den Risiken von Nachblutungen bei
Mandeloperationen. Auch Buchempfehlungen gibt es.
Ein weiteres Mal präsentiert sich das Web als hilfreiches
Netzwerk, denn per Link sind unterschiedliche Patienteninitiativen zu erreichen.
Und das Gästebuch ermöglicht die öffentliche Kontaktaufnahme. Direkte Fragen
beantworten die Eltern von Cornelia persönlich. Und auch nach dem Urteilsspruch
vor Gericht werden sie in Gedenken an ihre Tochter weiter aufklären. Gestern
wäre Cornelia 14 Jahre alt geworden. 23.11.2002
von Karsten Heuke, tlz |
mit freundlicher Genehmigung aus der Webfassung |
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Donnerstag, 28.11.2002-TLZ
Arzt geht in die
Berufung Erfurt. (dpa/tlz) Der ehemalige Arzt im Praktikum, der
vom Erfurter Amtsgericht nach dem Tod eines Mädchens zu einer Geldstrafe von 12
000 Euro verurteilt worden war, hat Berufung eingelegt. Das bestätigte
Amtsgerichtspräsident Rudolf Lass am Donnerstag. Der Chefarzt der Hals-Nasen-Ohren-Klinik habe hingegen seine zuvor eingereichte Berufung wieder
zurückgezogen, teilte das Klinikum mit. Der Chefarzt habe die Berufung "nur
vorsorglich zur Fristwahrung eingelegt", sie aber nach der Prüfung der
Urteilsbegründung zurückgenommen. Das Mädchen war vor sechs Jahren an den Folgen
einer arteriellen Nachblutung nach einer Mandeloperation gestorben. Laut Urteil
schlug der Arzt im Praktikum bei der Behandlung des Mädchens sämtliche
Alarmzeichen in den Wind.
28.11.2002 Copyright: Thüringische Landeszeitung |
Fahrlässige Tötung durch HNO-Ärzte Siebenjährige verblutet nach Mandel-Op.Medical Tribune Bericht
- 10.12.2002 ERFURT - Desaster nach dem Routine-Eingriff: Die kleine Cornelia aus
Thüringen könnte womöglich heute noch leben, hätte man vor sechs Jahren nach
einer Mandel-Op. die schwere Nachblutung fachgerecht behandelt. Nun standen die
beteiligten HNO-Ärzte vor Gericht.
1996: Die siebenjährige Cornelia bekommt am sechsten Tag nach einer
routinemäßigen Mandeloperation akute arterielle Nachblutungen, laut ihrer Mutter
"in großem Schwall" und "mindestens ein halber Liter". Der kinderärztliche
Hausbesuchsdienst lässt das Mädchen mit einem Krankentransportwagen zurück in
die HNO-Klinik nach Erfurt bringen, obwohl bei derartigen Komplikationen die
sofortige Anforderung eines Notarztes angezeigt gewesen wäre.
Arzt im Praktikum völlig überfordert Weil die Blutung scheinbar
aufgehört hat, wird Cornelia auf die Kinderstation verlegt, wo Dr. B. als Arzt
im Praktikum allein zum Nachtdienst eingeteilt ist. Es ist ein Uhr. Den Zustand
des Kindes sieht Dr. B. als nicht Besorgnis erregend an. Eine Unterbringung in
der Nähe eines Notfallbereiches wird nicht veranlasst. Um 2.35 Uhr beginnt die
nächste dramatische Nachblutung. Das Kind wird mit dem Aufzug zum OP gebracht. Vier Ärzte, auch die inzwischen angekommene Bereitschaftsärztin, bemühen sich
hier schließlich um das Leben des Mädchens. Es kommt zum Herzstillstand, die
Patientin wird reanimiert. Gegen 7 Uhr kann die blutende Stelle geschlossen
werden. Zu spät, das Mädchen fällt ins Koma und stirbt einige Tage später auf
der Intensivstation. Die Gutachter sagen, dass das Kind verblutet ist. Richter
Schwarz stellte in der Verhandlung den Gutachtern immer wieder die gleichen
Fragen nach dem Kausalzusammenhang: War die Arbeit des damaligen AiP und
heutigen HNO-Arztes Dr. B. fachgerecht oder könnte das Mädchen noch leben? Die
Sachverständigen, darunter auch der Thüringer Ärztekammerpräsident Dr. Eggert
Beleites, äußerten sich gleichermaßen: Der junge und unerfahrene Arzt im
Praktikum sei mit der Situation "vollkommen überfordert" gewesen. Kritisch wurde u.a. bemerkt, dass Dr. B. die Anamnese zu wenig abgefragt, den
Schockzustand des Kindes unterschätzt, einen venösen Zugang nicht gelegt hat und
dass er eine Op. nicht vorbereiten ließ. Hauptvorwurf aber war, dass der Arzt
nicht bereits bei Aufnahme des Kindes den Hintergrunddienst, eine erfahrene
Medizinerin der HNO-Klinik, rief, sondern erst nach zwei Stunden. In diesem Zusammenhang wurde auch das Verschulden des Klinikchefs deutlich.
Es gab für Ärzte im Praktikum keine eindeutigen Anweisungen, dass bei
Einlieferung eines Patienten der Hintergrunddienst zu informieren ist. Zudem war
eine Besetzung des Nachtdienstes mit einem Praktikanten allein nicht
ausreichend, denn die Gefahr akuter Komplikationen ist laut Gutachter für eine
HNO-Klinik, mit noch dazu 84 Betten, deutlich höher als in anderen
Krankenhausbereichen. Richter Martin Schwarz setzte nach viertägiger Verhandlung für Dr. B. wegen
eines so genannten Übernahmeverschuldens als Strafmaß die Zahlung von 12 000
Euro und für den Chef der HNO-Klinik Prof. E. wegen Organisationsverschuldens
die Zahlung von 9000 Euro fest.
MTD, Ausgabe 49 / 2002 S.19, kol
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